Gosia Machon
LIEB LEIB LEID LIED
Veröffentlichung des Künstlerbuches mit Ausstellung
Tuesdays @HilbertRaum:
7. September 2021 16-22 Uhr
Eingeladen von Niina Lehtonen Braun
In Gosia Machon Künstlerbuch befinden sich 180 Malereien und Zeichnungen auf Papier. Sie sind Teil der ca. 300-teiligen Serie „LIEB LEIB LEID LIED“, die sie zwischen 2014 und 2021 tagebuchartig fortgeführt hat. Ihre tägliche Verfassung, körperlich und geistig, hat hier eine unmittelbare und ungefilterte Entsprechung auf dem Blatt gefunden, die auf den Naturzustand unserer Identität verweist.
Verlag: The Books The Books Design: Hansen/2 Texte: Anke Feuchtenberger und Gosia Machon Gefördert von der Stiftung Kunstfonds / 2021
Gosia Machon, geboren 1979 in Pless / Polen, ist Künstlerin mit dem Schwerpunkt Malerei, Zeichnung und Künstlerbuch und lebt und arbeitet in Hamburg.
"Welche Form braucht der Inhalt?" ist für viele Kunstschaffende die Frage aller Fragen. In Gosia Machons Bildern sucht der Inhalt seine Form, eilt ihr hinterher, um die unterschiedlichen Formen aufzuspüren, sie zu stellen und schließlich einzufangen. In ihrem tagebuchartigen Zyklus LIEB LEIB LEID LIED wird diese Suche besonders deutlich.
Fernab jeder Alltagslogik kommen uns Episoden aus Gosia Machons jüngsten Lebensjahren vor Augen und zeigen ihre Ebenbilder wie aus einem nachtwandlerischen Wahn. Wir begegnen Figuren in welken, spröden Farben aus verkrusteten Fabelwelten. Körper, gefangen im Ringen und Trachten. Ihre tanzenden Figuren sind farbige Platzhalter und Attrappen. Spukende Gestaltwandler. Hinter ihren Schatten- und Fehlfarben schlummert ein junges Augenzwinkern, das schmunzelnd und fast kindlich unbändig um die Ecke lugt.
Die Gemälde von Gosia Machon projizieren mit einer enormen Fabulierkraft Bilder im Kopf wie kurze Lichtpunkte und man wird sich über Dinge bewusst, die man auf den ersten Blick weder sofort sieht noch erkennt. Es werden verborgene Nervenbahnen in uns berührt, die Wünsche und bislang Verdrängtes zum Vorschein bringen. Erst so können ihre Malereien - allesamt zartbittere Bildpralinen - wie in Säure getauchte Epiphanien aufblühen.
Der Reigen von Gosia Machons Bilderzyklus wird von einem von ihr konzipierten Künstlerbuch gehalten. Man möchte meinen, eine bis dato 190 Bilder umfassende Serie würde schon allein aufgrund der Anzahl schwer wiegen – doch von einer Last kann nicht die Rede sein. Insbesondere deren Einfachheit lässt die Werke Machons leicht und trotz der archaischen, existenzialistischen und introspektiven Themen luftig erscheinen.
Formal ähnlich reduziert aufgebaut wie ihre Arbeiten, stützt die Publikation ihre Bilder in ihrer hypnotisierenden Wirkung auf eine raumlassende und sich gegenseitig bedingende Weise. Es entsteht ein Dialog zwischen Künstlerbuch und der im Buch enthaltenen Bilder: Zwei- und Dreidimensionalität sprechen miteinander. Einer kleinen Flotte ähnelnd, gleiten die Bilder ein Stück zusammen, verwandeln ihre Aggregatzustände zu einem neuen, von den Buchdeckeln eingerahmten, magischen Ganzen und entfalten einen vielstimmigen Kanon zwischen fassbar und unfassbar.
Wir möchten in ihre Bilder hineingreifen wie in warmen Teig. Und immerzu kosten.
Text: Andreas Nitschke