CLAUS BRUNSMANN & EVA SCHWAB
JUNGE UNRAST
painting and sculpture
3 - 12 july 2020
SPECIAL AM SAMSTAG, 11. JULI, 19:30 UHR:
„FAZZOLETTO PER UN ETERNITÀ“
VINYLPERFORMANCE VON GABI SCHAFFNER
Der Shimmy-sha-wabble war einst ein bekannter Tanz, der mit dem Aufkommen des Jazz zu einiger Popularität gelangte. Zuerst wurde er auf Jahrmärkten und Rummelplätzen vorgestellt: auf den Bühnen wackelten die Hintern beim Hochy-Koochy, die Beine wurden gedehnt, die Rümpfe gebeugt, die Schultern geschüttelt und man stolzierte im Hahnengang die Bühne rauf und runter. Shimmy, Bump und Grind, Hüftenkreisen, Muskelzucken und Stolzieren, die erstaunten Besucher gerieten auf der Weltausstellung in Chicago im Jahre 1893 außer sich vor Begeisterung beim Anblick der ungewöhnlichen Performances, die von afroamerikanischen Künstlern aufgeführt wurden. Die neuen Modetänze spannten einen weiten Bogen über die Zeit der Sklaverei hinaus in die vergangenen rituellen afrikanischen Traditionen und bildeten einen Rückbezug auf die eigene Geschichte, die im Tanzritual erinnert werden konnte. Als modischer Ausdruckstanz, jetzt kurz „Shimmy“ genannt, nahm Fahrt auf und erschien pünktlich zu den goldenen Zwanzigern auch in Europa. Mit koketter Nonchalance als Platztanz komisch auf der Stelle wackelnd vorgetragen, wurde der Shimmy in Paris und Berlin ein Riesenerfolg.
Junge Unrast ist auch so ein Motor: ein Zusammenkommen von zwei Seiten, die sich gegenüberliegen und irgendwann eine Mitte finden. So bewegen wir uns durch die Ausstellung.
Junge Unrast war für mich immer auch ein Junge, der Unrast heißt. Es ist ein ungewöhnlicher Name: Unrast. Einer, der nicht genug kriegen kann. Einer der unruhig ist. Von dem die anderen sagen: der hat Hunger, der Junge!
Einmal, das war noch vor der Akademiezeit, während meines Zivildienstes, stand in dem Flur vor meinem Zimmer ein Kopierer. Ich steckte Briefumschläge in das Papierfach, druckte das Foto von Hardy Krüger vor dem Brandenburger Tor und Bilder von Joseph Beuys’ Plight-Installation darauf und verschickte Briefe von der Insel Berlin nach Westdeutschland.
Baudelaires Diktum, dass man immer „absolut modern“ sein solle, steht es eingeschrieben: das Imprint der Moderne, nämlich modern zu sein. Man soll nicht auf das Alte gucken. Das Dumme ist, dass man älter wird, und immer noch modern sein will, also kontemporär. Denn gute Kunst muss sich nicht, oder lässt sich nicht am Willen messen, sondern an der Authentizität ihrer Zeitgenossenschaft.
Bei Oscar Wilde altert das Bild vor sich hin, wird hässlich und grantig, während der Portraitierte makellos bleibt, zumindest für einige Zeit. Dann verkrampft sich alles.
Tiere haben Schwierigkeiten ihr eigenes Gegenüber im Spiegel zu erkennen. Oft wenden sie sich nach einiger Zeit ab oder reagieren unbeholfen mit auffälligen Drohgebärden. In diesem Falle haben sie den Spiegeltest nicht bestanden.
Zeitgenossenschaft ist im Paris des neunzehnten Jahrhunderts nichts anderes als im Berlin des einundzwanzigsten Jahrhunderts: „Man, Nature, Technology“ sangen Kraftwerk zur Expo-Zweitausend.
Mensch, Natur, Technik. Die Themen bleiben verwandt, die Geschichten sind ähnlich. Nur die Stimme wird modernisiert. Der innere Motor des Ganzen, der Beweggrund, ist und bleibt die junge Unrast. Das Gestaltenwollen, das „zur Gestalt bringen der Welt als Bild“ durch den Maler. Ob Bilder einen Drang nach Verwirklichung des eigenen Lebens direkt in die frische Farbe fließen lassen, wie im Fall Eva Schwab, oder ob Bilder von außen an einen herangetragen werden, wie im Fall von Claus Brunsmann und dessen A.R.Paintings. Die Wahrheit der Arbeit liegt im Sein: im direkten Kontakt mit den Außerirdischen oder dem normalen Menschen.
Zeitgenossenschaft ist eine Brücke in diese Natur. Selbst das Licht, das sich von der Sonne im Wasser spiegeln lässt, spricht davon.
Text von Claus Brunsmann